KI und IoT im Handel: Cetin Acar im Interview

Ist die Digitalisierung die letzte Hoffnung des Einzelhandels? Was sind mรถgliche Anwendungen von IoT und KI und wie setzt man sie ein?

Wir haben ein Interview mit Cetin Acar, dem Projektleiter Forschungsbereich IT beim EHI Retail Institute, zum Thema IoT und KI im Handel gefรผhrt. Hier erklรคrt er uns, was fรผr Use Cases es im Handel schon gibt und was die Zukunft noch bringt.

Person nutzt KI und IoT Technik im Einzelhandel.

Wie wichtig ist das Internet der Dinge fรผr den Handel? Wie ist Ihre Wahrnehmung: Was passiert gerade?

Cetin Acar: Der digitale und vernetzte Store wird in den vergangenen IT-Trend-Studien des EHI vom Handel als eines der wichtigsten strategischen Themen genannt und beeinflusst Investitionsentscheidungen in hohem MaรŸe. Zeitgleich hat die allgemeine technologische Entwicklung weiter an Dynamik zugenommen. Themen wie IoT und Kรผnstliche Intelligenz (KI) bieten Handelsunternehmen heute neue Mรถglichkeiten und Perspektiven fรผr ihre Digitalisierungsstrategie.

Welche Use Cases werden in Deutschland bereits erfolgreich angewendet?

Cetin Acar: Viele IoT Use Cases laufen eher im Hintergrund ab. Bereiche, in denen es bereits Umsetzungen gibt, sind bspw. das Energiemanagement. Z. B. in Form einer automatisierten, filialรผbergreifenden Steuerung und รœberwachung von Gerรคten, dem โ€žsmartenโ€œ Monitoring von Kรผhlgerรคten aller Art, einer vernetzten und intelligenten Lichtsteuerung (Smart Lighting) oder smarten Regalen und smarten Einkaufswagen. Einige internationale kundenseitige Anwendungen finden sich im EHI-Whitepaper โ€žSmart Store Teil 2โ€œ.

Hรคufig haben wir das Gefรผhl, dass IoT-Projekte im Handel vereinzelt umgesetzt werden und kein ganzheitlicher, konsequenter Ansatz existiert, bei dem verschiedene IoT-Technologien zusammenspielen. Stimmen Sie dem zu und was kรถnnten Grรผnde fรผr eine solche Fragmentierung sein?

Cetin Acar Potrait
Cetin Acar, Projektleiter Forschungsbereich IT beim EHI Retail Institute. Foto: EHI.

Cetin Acar: Tatsรคchlich verfolgen nur wenige Retailer bereits einen รผbergreifenden Ansatz im Sinne eines โ€žIoT-Portalsโ€œ, das รผber alle Filialen hinweg eine groรŸe Zahl von Gerรคten abdeckt und gleichzeitig auch mit externen Servicepartnern vernetzt ist. 

Mรถgliche Grรผnde hierfรผr sind u. a., dass Anbieter von Investitionsgรผtern (wie Kรผhlgerรคte, Klimaanlage oder Sicherheitssysteme) ihre eigene Steuerungstechnik haben. Diese arbeitet meistens noch nicht mit IoT-Anwendungen des Handels zusammen. Ein weiterer Punkt ist, dass der Handel auf Quick-Wins setzt. D. h. Handelsunternehmen setzen IoT-Technologien dort ein, wo sich ein schneller ROI erwarten lรคsst. Dabei werden dann nur Teilbereiche mit IoT-Technologien ausgestattet, die sich aber fรผr den Handel schnell rentieren.

Ist KI im Handel bereits weit verbreitet? Warum/ warum nicht?

Cetin Acar: In der EHI-Studie โ€žIT-Trends im Handel 2019โ€œ gaben 68 Prozent der Befragten Hรคndler an, dass sie bereits KI einsetzten bzw. dies in den kommenden zwei Jahren planen. Der Einsatz von kรผnstlicher Intelligenz (KI) wird die Handelsbranche nach Einschรคtzung der IT-Entscheider in Deutschland, ร–sterreich und der Schweiz in den kommenden Jahren maรŸgeblich verรคndern



Was benรถtigen Unternehmen fรผr die Umsetzung von KI-Projekten im Handel und wie gelingt ein Start?

Cetin Acar: Fรผr ein KI-Projekt sind drei Dinge essenziell. Es mรผssen erstens genรผgend Daten vorliegen, um KI-Anwendungen zu trainieren. Dies kann fรผr Unternehmen mitunter eine Herausforderung darstellen. Mittlerweile kann auf gemeinschaftliche Nutzung von KI-Anwendungen zurรผckgegriffen werden. Zweitens wird eine moderne Datenplattform benรถtigt. Die existierenden Unternehmensdaten werden als strukturierte Daten in Datenbanken und als unstrukturierte Daten in Text-, E-Mail-, Bild- oder Videoformaten, in einer auswertbaren Form vorgehalten. Diese Datenplattform sollte zudem die Korrelation mit externen Daten aus bspw. รถffentlichen Datenquellen zulassen und eine flexible Skalierung ermรถglichen. Als Drittes werden KI-Werkzeuge benรถtigt. Dies kรถnnen selbstentwickelte, vorgefertigte oder Komplettlรถsungen mit integrierter KI sein.

Bei der Umsetzung ist zu beachten, dass es sich bei der Einfรผhrung und Nutzung von KI nicht um eine klassische Implementierung einer neuen Software handelt. Es ist vielmehr ein kontinuierlicher Prozess. KI-Anwendungen mรผssen stetig angelernt, geprรผft und weiterentwickelt werden. Zudem sind gesellschaftliche (ethische) Aspekte zu beachten. Neben den Mitarbeitenden, die die KI-Lรถsungen einfรผhren, mรผssen auch die Fachbereiche, die spรคter mit der KI arbeiten, rechtzeitig eingebunden werden.

Was wird Ihrer Meinung nach die meistverbreitete Anwendung der KI im Handel sein und was sind die Auswirkungen auf Kunden und Hรคndler?

Cetin Acar: Bei unserer Studie โ€žIT-Trends im Handel 2019โ€œ haben wir die IT-Verantwortlichen nach den geplanten Einsatzbereichen fรผr KI befragt. Hier war die Top-Nennung mit 53 Prozent โ€žPredictive Analyticsโ€œ. Mithilfe dieser Technologie kรถnnen dynamische Modelle fรผr Abverkรคufe unter Berรผcksichtigung verschiedener Einflรผsse erstellt werden. Weitere interessante Anwendungsgebiete waren die standortspezifische Allokation (22 Prozent), Bilderkennung (22 Prozent) und Dynamic Pricing (19 Prozent). Gerade das Thema Dynamic Pricing hat nach unserer Beobachtung in den letzten Monaten bei vielen Handelsunternehmen an Bedeutung gewonnen.

Wir leben IoT und unterstรผtzen Dich gerne bei Deinem Projekt:

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